Die Teichwirtschaft des Klosters Waldsassen

Bereits die frühen Statuten des Zisterzienserordens betonten,dass sich die Mönche ihren Lebensunterhalt durch Handarbeit, Ackerbau und Viehzucht verdienen sollten. Hierzu wurde auch die Teichwirtschaft gerechnet. Zusammen mit der Trockenlegung von sumpfigen Arealen um die Klöster errangen die Grauen Mönche daher rasch den Ruf Meister des Wasserbaus und der Fischzucht zu sein. Die Wahl des Klosterstandortes war bei den Zisterziensern wegen des Ideals der Selbstversorgung und -bewirtschaftung in besonderem Maße nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt. Der Wasserversorgung kam dabei ein besonderer Stellenwert zu.

Wie essentiell die Fischerei und Gewässernutzung im Selbstbild des Waldsassener Konvents mit der Geschichte des eigenen Ordenshauses verflochten war, verdeutlichen sowohl die ältere lateinische, wie auch die mittelhochdeutsche Gründungsgeschichte. Schon in der Fundatiolatinalis wird als Grund für die Verlegung der ersten monastischen Ansiedlung von der Flur Köllergrünan den heutigen Klosterstandort unweit der Wondreb der Fischreichtum in diesem Gewässer angeführt.

Auszug Fundatio lationalis – Passage über den Fischreichtum – Bayerische Staatsbibliothek Clm 1091:

Clm 1091 Bayr Staatsbibliothek

Auch im von Abt Johannes III. von Elbogen (Loket, CZ) um 1320 verfassten Waldsassener Mirakelbuch taucht neben Fischen als Nahrungsmittel der Mönche auch die das Kloster umgebende Teichlandschaft als Handlungsraum der Wunderberichte auf. Auf literarischer Ebene wurde durch die Mönche also ein facettenreiches Selbstbild um die klösterliche Teichlandschaft geschaffen und wahrgenommen.

Eine wichtige Voraussetzung für die hiesige Teichwirtschaft waren die geologischen Verhältnisse in den Tallandschaften um Tirschenreuth und Waldsassen sowie nahezu im gesamten Stiftsgebiet, das sich durch tonreiche, wenig wasserdurchlässige Böden auszeichnet, was zur Entstehung von Torfgründen und natürlichen Teichen geführt hat.

Gerade der Raum um Mitterteich, Oberteich, Unterteich und Hofteich verdeutlicht durch das Grundwort -teich der Ortsnamen, dass die Siedlungen nach den dominierenden Teichen benannt wurden und zwar bereits bevor sie ans Kloster kamen. Die Orte und demnach auch die namensgebenden Teiche sind z.T. bereits gegen Mitte des 12. Jahrhunderts belegt. So schenkte beispielsweise Bischof Siegfrid von Speyer im Jahr 1138 in Gegenwart von König Konrad II. das Dorf Unterteich dem Kloster Waldsassen zu seinem Seelenheil.

Ausgehend von diesen naturräumlichen Gunstfaktoren, gezielten Erwerbungen durch Kauf, Tausch und Schenkung sowie gezielte Neuanlagen konnte das Kloster als Grundherr des seit 1214 reichsunmittelbaren Stiftlandes die Klosterlandschaft aktiv gestalten. Die vom Kloster angelegten, bewirtschafteten und als Lehen vergebenen Teiche treten gehäuft in den spätmittelalterlichen Urkunden in Erscheinung. Die meisten von ihnen wurden zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert, vereinzelter noch im 15. Jahrhundert angelegt. Zu Abt Konrad I. (1371-1393) berichtet das Chronicon Waldsassense aus dem Jahr 1507 beispielsweise: „Er soll besonders tätig in der Ausgrabung von Fischteichen gewesen sein; auch sonst soll er Vieles sorgfältig und nützlich ausgeführt haben.“

Teichpfanne zwischen Tirschenreuth und Mitterteich:

Teichpfanne zwischen Tirschenreuth und Mitterteich

Neben einigen direkt am Kloster gelegenen Teichen, die von den Laienbrüdern selbst bewirtschaftet wurden, entstanden so im Laufe des Mittelalters hunderte von Teichen, die von den Bauern und Bürger der klösterlichen Dörfer, Märkte und der Stadt Tirschenreuth angelegt wurden

Kloster Waldsassen mit angelegten Teichen im 17. Jahrhundert

Bis zum Jahr 1570 erreichte die Teichwirtschaft eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für die Abtei. Umfassende Einblicke in den Umfang und die Praktiken der klösterlichen Teichwirtschaft bietet das im Zuge der ersten Klosteraufhebung angelegte Gesamturbar von 1570. Die Intention dahinter war eine vollständige Erfassung aller Besitztümer, Einkünfte und Rechte der Zisterzienserabtei. Das Werk gibt daher auch detaillierte Einblicke in die Fischerei und ihren Nutzen. Demnach besaß das Kloster damals die beiden großen Weiher bei Tirschenreuth sowie die Teiche, die der Neuhauser, Waldershofer und Hardecker Pfleger innehatten. Hinzu kamen noch 159 größere und kleinere Teiche. Von diesen wurden jährlich je 30 mit dreijährigen Fischen besetzt. Neben Karpfen wurden auch Nerflinge und Hechte gezüchtet. 82 Teiche wurden alle zwei Jahre mit zweijährigen Fischen besetzt. Die restlichen 47 Teiche wurden mit Brut und Besetzvätern versehen.

Der obere Tirschenreuther Stadtteich wurde im Winter wie Sommer befischt und darin waren Hechte, Karpfen, Pressen, Persing, Plicken und Krebse zu finden. Er allein erbrachte einen jährlichen Gewinn von 200 Gulden. Der untere Stadtteich war ähnlich besetzt.Dieser Weiher war 1570 für zwei Jahre verpachtet worden und warf einen jährlichen Ertrag von 466 Gulden und 40 Kreuzern ab. Der an den hier erwähnten Erträge der beiden Tirschenreuther Stadtteiche deutlich werdende Stellenwert der Fischzucht erklärt auch warum Waldsassen auf einer Insel zwischen diesen beiden Teichen eine wichtige Grangie, den sogenannten Fischhof, errichtete.

Der Tirschenreuther Fischhof mit Brücke und wiederhergestellten Stadtteich:

Fischhof Tirschenreuth

An der Spitze dieser auf die Teichwirtschaft spezialisierten Grangie stand ein magisterpiscium (Fischmeister). Nachdem das Kloster im Jahr 1217 das predium Tirschenreuth mitsamt dem damals bereits bestehenden oberen Stadtteich von den Grafen von Ortenburg erworben hatte, begannen die Zisterzienser dort eine intensivere Teichwirtschaft.

Der untere Stadtteich in Tirschenreuth wurde nach der Aussage der Series abbatum von Abt Hermann (1212-1220) angelegt. Der dem 13. Jahrhundert entstammende Ablauf des einst 56 ha großen unteren Stadtteiches wurde in der Dimension von 60m Länge und 10m Tiefe durch den Granitfelsen geschlagen und ist bis heute erhalten. Er zählt ebenso wie die beiden künstlich angelegten Stadtteiche zu den frühesten Zeugnissen des mittelalterlichen Teichbaus in ganz Europa. Nach den Schilderungen des Chronicon Waldsassense ließ Abt Georg I. (1495-1512) im ausgehenden Mittelalter dann eine Änderung am Zulauf am unteren Stadtteich durchführen und einen zweiten Wasserdurchlass herstellen.

Weitere bedeutende großflächige Teiche im Klosterterritorium sind der Kornthanner, Seidlersreuther und Rothenbürger Weiher. Das Beispiel Kornthan zeigt, dass das Kloster auch gezielt daran ging bestehende Gutskomplexe mit Teichen aufzukaufen und somit seinen Herrschaftsbereich zu arrondieren. Nachdem die Abtei den Ort bereits im 13. Jahrhundert vom Ortsadel erworben hatte, entwickelte er sich mit der Errichtung des klösterlichen Eigenhofes und der Teichanlage sowie der benachbarten Mühle zu einem wichtigen Schwerpunkt. Für die „Schüttung“ des Weihers wurden die dort ansässigen Bauern 1383 vom Kloster gar von der Weihnachtssteuer, dem Scharwerk und weiteren Abgaben befreit.

Kornthaner Weiher und Maierhof: Insgesamt wurde für die 161 Teiche im Jahr 1570 ein Gewinn von 1444 Gulden angesetzt. Hinzu kamen noch Erträge aus der Forellenzucht in 14 namentlich genannten Bächen und speziellen Forellenteichen. Diese wurden alle zwei Jahre abgefischt. Zudem besaß das Kloster auch die Fischereirechte an weiteren Krebs- und Fischbächen sowie an Dienstwassern. Mit seiner Fischzucht nahm Waldsassen unter den Zisterzienserklöstern Europas eine führende Stellung ein.

Mit den fließenden Gewässern und einem System aus Teichen konnten die Zisterzienser aber nicht nur Fischzucht betreiben, sondern die Wasserkraft auch für Mühlen (wie 1389 für den oberen Tirschenreuther Stadtteich belegt) und die Metallverarbeitung nutzen. Letztere stellte in der spätmittelalterlichen Oberen Pfalz einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar. Ein gutes Beispiel dafür ist der 1434 erwähnte „Hammer ob dem Stift“, der in unmittelbarer Nähe der Abtei lag. Neben dieser wirtschaftlichen Nutzung der Wasserkraft tritt im 15. Jahrhundert nach den Wirren der Hussitenkriege eine auf Befestigung beruhende Nebennutzung der Gewässer. 1479 erlaubten Abt und Konvent von Waldsassen dem Bürgermeister, Rat und der Gemeinde von Tirschenreuth nämlich die Anlage eines Teiches jenseits der Stadt zur besseren Wehrbarmachung derselben.

Gut Altenhammer im heutigen Zustand:

Altenhammer Mühle

Der hier berührte Faktor des Wassermanagements und der miteinander in Beziehung stehenden Nutzergruppen verdeutlicht auch ein Beispiel aus dem Falkenberger Raum. Hier musste im Jahr 1480 Jacob Mayer zu Falkenberg dem Abt Ulrich von Waldsassen versprechen, dass nach Anlegung seines Teiches oberhalb zweier Teiche des Klosters, diesen in keiner Weise ein Schaden entstehen werde. Die Bewirtschaftung der in Eigenregie des Klosters betriebenen Teiche stand also stets in enger Verzahnung mit den als Lehen vergebenen oder durch die Klosteruntertanen errichteten und genutzten Teichen. Diese Konstellation erklärt, warum Konfliktfälle um Gewässernutzungsrechte in den Klosterurkunden besonders häufig erscheinen. Bereits kleine Eingriffe konnten die teils weitflächig zusammenhängenden Teichsysteme in empfindlicher Weise beeinträchtigen.

Bis in die Gegenwart bildet die seit dem Mittelalter gewachsene Teichlandschaft einen wichtigen Wirtschafts- und Identitätsfaktor im Stiftland. Das „Land der 1000 Teiche“ mit seinem Herzstück, der Tirschenreuther Teichpfanne, zieht jedes Jahr nicht nur Einheimische, sondern auch viele Besucher in seinen Bann. Egal ob mit Karpfen-Kochbuch, Erlebniswochen Fisch oder einem Besuch im Fischereimuseum in Tirschenreuth, die Teichwirtschaft ist noch immer ein lebendiger Bestandteil der Kultur und der Landschaft im Stiftland. Weitere Informationen dazu unter: http://www.erlebnis-fisch.de

Von der Plattform der „Himmelsleiter“ aus, einem 2012 errichteten, imposanten Treppenbauwerk (70 m Länge und 20 m Höhe) an der ehemaligen Bahnlinie Wiesau – Tirschenreuth, genießt man einen Panoramablick über die Tirschenreuther Teichpfanne in der Waldnaabaue und der Charakter der historischen Teichlandschaft wird plastisch voraugengeführt. Heute existieren im Landkreis Tirschenreuth ca. 4.700 Teiche mit einer Gesamtfläche von rund 2.500 ha. Mit 95 % ist dabei die Karpfenzucht dominierend. Die restlichen 5 % an Teichen werden v.a. für die Forellenzucht genutzt. Einige der ehemaligen Teichstandorte konnten im Rahmen des 3.200 ha umfassenden Naturschutzgroßprojektes Waldnaabaue des Bundesamtes für Naturschutz (Projektzeitraum 2009 bis 2011) wiedervernässt und zu Feuchtbiotopkomplexen entwickelt werden. Kombiniert mit weiteren Maßnahmen der Extensivierung, Biotopgestaltung und touristischen Besucherlenkung wurde die Tirschenreuther Teichpfanne im Zuge dieses Projekt seinerseits aus der Sicht des Arten- und Biotopschutzes nachhaltig optimiert und andererseits auch hinsichtlich ihrer Erlebbarkeit und Attraktivität wirkungsvoll aufgewertet. Zusammen mit dem 2011/2012 teilweise rekonstruierten Oberen Stadtteich, der dem Tirschenreuther Fischhof wieder ans Wasser anbindet, entstanden somit in den letzten Jahren Hotspots, bei denen das historische Erbe der klösterlich geprägten Teichlandschaft des Stiftlandes auf eindrucksvolle Art und Weise in die Gegenwart transformiert wird.

Himmelsleiter in der Tirschenreuther Teichpfanne, der sog. „Heusterz“:

Himmelsleiter in der Tirschenreuther Teichpfanne

 

Autor: Christian Malzer