Klösterliche Sakrallandschaft
Im Herrschaftsbereich des Klosters Waldsassen hat sich seit dem hohen Mittelalter eine markante Sakrallandschaft herausgebildet, die nicht nur vom beeindruckenden Gebäudekomplex der Zisterzienserabtei selbst, sondern auch von zahlreichen weiteren sakralen Baudenkmälern und religiösen Kleindenkmälern geprägt und durchsetzt ist.
Eine wichtige Grundlage für die symbolische und repräsentative Durchdringung der Klosterlandschaft war die Erwerbung der Pfarreirechte (sog. Patronatsrechte) durch die Zisterzienser von Waldsassen. Abt und Konvent konnten bis ins Spätmittelalter zahlreiche Pfarreien unter ihre Kontrolle bringen. Auch wenn es den Zisterziensern ursprünglich verboten war Pfarreien zu besitzen, wurde dieses Ideal im Laufe der Jahrhunderte zunehmend gelockert und schließlich aus praktischen Gründen aufgegeben.
Bis zum Beginn der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert waren dem Waldsassener Abt zeitweise bis zu 37 Pfarreien unterstellt. Mitunter lagen sie weit außerhalb des Stiftlandes und außerhalb der Diözese Regensburg in den Bistümern Augsburg, Bamberg, Eichstätt sowie im Erzbistum Prag. Viele dieser Pfarreien waren dem Kloster sogar inkorporiert, was bedeutet, dass der Abt hier nicht nur den Pfarrer präsentieren konnte, sondern auch über das Pfarrvermögen und Liegenschaften sowie Bauprojekte der Pfarrei verfügen konnte. Die Kontrolle der Pfarreien und der damit verbundenen Pfarrrechte führte zudem zu einer Intensivierung der klösterlichen Herrschaft über die Bevölkerung, da diese wegen des mittelalterlichen Pfarrzwangs zur Bestattung und Sakramentspendung an ihre jeweiligen Heimatpfarreien gebunden waren. Wiederholt traten auch Mönche als Pfarrer und Seelsorger außerhalb des Klosters auf. Der Schwerpunkt dieser klösterlich geprägten Pfarreilandschaft war jedoch das eigentliche Stiftland, in dem das Kloster auch die Gerichts- und Grundherrschaft ausübte. Hier konnten die Zisterzienser das Landschaftsbild nachdrücklich durch sakrale Bauten sowie Flur- und Kleindenkmäler deuten und prägen. Zudem gestalteten die Mönche hier auch die Pfarreiorganisation nach ihren Bedürfnissen um. Aus alten Großpfarreien, wie Tirschenreuth, wurden im späteren Mittelalter und im 16. Jahrhundert neue, kleinere Pfarrsprengel mit eigenen Pfarrkirchen gebildet. Aus der Urpfarrei Tirschenreuth gingen auf diese Weise zum Beispiel die jüngeren Pfarreien in Leonberg und Mitterteich hervor.
Pfarrhof Tirschenreuth – Beispiel für eine der frühzeitig an Waldsassen gekommene Pfarrei:
An dieser Konstellation konnte auch die zeitweilige Aufhebung der Abtei im 16. Jahrhundert wenig ändern, da die wichtigsten Pfarreien des Stiftlandes dem Kloster nach dessen Wiederbegründung zurückerstattet wurden. Im 17. und 18. Jahrhundert gestaltete der Konvent die Sakrallandschaft in barocker Pracht mit repräsentativen Neu- und Umbauten. Mit der Säkularisierung Waldsassens im Jahr 1803 endete jedoch auch diese zweite Phase der sakralen Landschaftsgestaltung. Das Kloster ist nach zweimaliger Aufhebung seit 150 Jahren wieder aktiv. Auch wenn den nun dort wirkenden Zisterzienserinnen keine Pfarreien mehr unterstellt sind, ist die Wallfahrtstradition im Stiftland ungebrochen. Zur Basilika findet eine jährliche Wallfahrt zu Ehren des geschändeten Heilands statt, in Tirschenreuth seit den 1980er Jahren monatlich am Monatsdreizehnten eine Wallfahrt zur Marienstatue in der Stadtpfarrkirche. In Waldsassen gibt es das Fest der Hl. Leiber am zweiten Augustsonntag zu Ehren der Gebeine der Märthyrer in der Basilika, die Bittgänge im Mai, dem Marienmonat, die alljährliche Rosenkranzprozession am Rosenkranzstationsweg. Auch die historische enge religiöse Verbindung zum Egerland ist seit 1990 mit der Wallfahrt von Tirschenreuth (bzw. St. Quirin) nach Maria Kulm über Maria Loreto und der Wallfahrt von Waldsassen nach Maria Loreto wieder aufgelebt und erfreut sich wachsendem Zuspruch. Ein aktuelles Beispiel dafür, wie man die Sakrallandschaft auch heute noch erleben und ihre überregionale Bedeutung verstehen kann, ist der im Jahr 2010 eröffnete Pilgerweg Via Porta, der das Kloster Waldsassen auf 18 Etappen mit dessen ehemaligen Mutterhaus Volkenroda (Thüringen) verbindet.
Mit Blick auf die Sakrallandschaft, die das Kloster Waldsassen umgibt, bleibt festzuhalten: Trotz der ursprünglich strengen Ordensideale begannen die hier siedelnden Zisterzienser frühzeitig damit, die Klosterlandschaft auf administrativ-pfarrherrlicher und seelsorgerischer Ebene sowie baulich zu gestalten und im Sinne ihrer zisterziensischen Sichtweise zu formen. Zunehmend wurde dabei auch den Ansprüchen der Volksfrömmigkeit Rechnung getragen. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich dadurch ein sakraler, bis heute in seinem Wesen authentischer Landschaftscharakter entwickelt, der in dieser Prägnanz und Größe einen einmaligen Stellenwert besitzt.
Die frühe Neuzeit – Entwicklung der Sakrallandschaft nach der Wiederbesiedlung des Klosters
Nachdem das Kloster im Zuge religiösen Entwicklungen des 16. Jahrhunderts für etwa 100 Jahre aufgehoben war, setzte nach der Wiederbegründung durch Mönche aus Fürstenfeldbruck ein regelrechter „Bauboom“ im Stiftland ein. Nachdem man die ehemals inkorporierten Pfarreien Anfang des 18. Jahrhunderts wiedergewonnen hatte und zunächst die Klosterkirche, die heutige Waldsassener Stadtpfarrkirche und Basilika, und die Kappl als Wallfahrtskirche in barocker Gestalt errichtet hatte, begann man in den 1720/30er Jahren unter Abt Eugen SCHMIDT an eine Renovierung der unterstellten Pfarrgebäude. Das Stiftsbauamt war für den Bau von Pfarrkirchen und –höfen, klösterlichen Schlössern, Wirtschaftshöfen und Brücken verantwortlich.
Unter der Regie von Philipp MUTTONE, der im 18. Jahrhundert 50 Jahre lang Stiftsbaumeister war, wurden zahlreiche Pfarrkirchen neu erbaut, so in Marchaney, Beidl, Stein, Neuhaus und Wiesau und auch der Umbau der Tirschenreuther Pfarrkirche 1769 erfolgte unter seiner Leitung. Als Zeugnisse der klösterlichen Sakrallandschaft müssen jedoch vor allem die von ihm sehr aufwändig erbauten Pfarrhöfe von Wondreb, Tirschenreuth und Leonberg genannt werden, weil es hier gelungen war, inkorporierte Pfarreien mit Konventualen des Klosters zu besetzen. Die Gegenwart der wiederhergestellten Herrschaft des Klosters sollte durch diese Bauten verdeutlicht werden.
Pfarrhof Wondreb:
Ein weiteres Merkmal dieser Landschaft sind auch die Kirchenneubauten (Wandpfeilerkirchen mit geradem Chorschluss) von Philipp MÜHLMAYER in Wondreb, Leonberg, Schwarzenbach, Großkonreuth, Hohenthan, Wernersreuth und Neualbenreuth in dieser Zeit.Diese Pfarrkirchen stehen meist erhöht und haben eine teils große Fernwirkung und prägen v.a. mit ihren Zwiebelhauben ganz wesentlich die Eigenart des Stiftlandes, besonders schön die Leonberger Pfarrkirche über dem Wondrebtal und die Neualbenreuther Pfarrkirche im Zentrum der Fraisch,jenem Teil des Stiftlandes, in dem die Gerichtsbarkeit zwischen der Abtei Waldsassen und der Reichstadt Eger jährlich wechselte.
Pfarrkirchen Leonberg (li) und Neualbenreuth (re) – Beispiele von 2 durch Waldsassen neu geschaffene Pfarreien:
Volksfrömmigkeit und Wallfahrtswesen
Neben den Pfarreien sind als weiterer landschaftsprägender Aspekt noch die überaus zahlreichen Wallfahrtskirchen im Stiftland zu nennen. Auch ihr Besitz und ihre Einkünfte waren den Zisterziensern ursprünglich verboten. Doch auch hier setzten sich wirtschaftliche Interessen sowie die Bedürfnisse der im späteren Mittelalter als Massenphänomen auftretenden Volksfrömmigkeit durch. Zur vollen Entfaltung gelangte das Wallfahrtswesen aber in der Barockzeit nach der Wiederbegründung des Klosters und der Rekatholizierung des Stiftlandes.
Mit der Kappl am Glasberg errichtete die Abtei Waldsassen analog zu anderen Abteien ein eigenes Wallfahrtszentrum, das der Hausüberlieferung zufolge auf eine Vision zurückzuführen ist, die einige rastende Laienbrüder schon im 12. Jahrhundert gehaben haben sollen. Der erste schriftliche Nachweis der Wallfahrt liegt jedoch erst aus dem Jahr 1527 vor. Schon kurz nach der Klostergründung soll in der Pfarrei Münchenreuth an der heutigen Stelle der Kappl eine erste Kapelle zur Heiligen Dreifaltigkeit errichtet worden sein. Hier verlief auch die alte Egerer Straße. Nach mehreren Zerstörungen, u.a. 1430 durch die Hussiten, wurde die Kapelle auf dem Glasberg immer wieder aufgebaut. In der Reformationszeit kam das Wallfahrtswesen zunächst zum Erliegen, die Wallfahrtskapelle wurde in dieser Zeit erneut zerstört.
Vorgängerbau der heutigen Wallfahrtskirche Kappl auf Gemälde in der Kappl:
Bis zur Einführung der Heidelberger Kirchenordnung im Jahr 1556 hatten sich im Stiftland sechs Wallfahrten etabliert. Darunter auch die Wallfahrt zur Kreuzbergkirche in Wiesau. Die dort bis ins 16. Jahrhundert bestehende Kapelle auf dem Berg zum Heiligen Kreuz wurde jedoch im 16. Jahrhundert abgetragen, um die Steine als Baumaterial für die neu errichtete Pfarrkirche zu Mitterteich zu nutzen. Eine der Glocke hatte man nach Waldsassen überführt. Erst im 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde die Wallfahrt wiederbelebt und an der Stelle der Kapelle die heute weithin sichtbare Kirche erbaut, die komplett aus Spenden finanziert wurde. Im 18. Jahrhundert wurde zu ihren Füßen zudem ein Kalvarienberg errichtet.
Kreuzbergkirche Wiesau mit Kalvarienberg:
Die Grundlage für das blühende Wallfahrtswesen im 17. und 18. Jahrhundert war die starke Marienverehrung in dieser Epoche nach der Gegenreformation mit einerNeuorientierung nach dem katholischen Süden. Es entwickelten sich die typischen Formen der barocken Wallfahrt mit vorgetragenem Kreuz und gestickten Fahnen undder Barock muss in diesem Zusammenhang auch als ein missionsgeschichtliches Phänomen verstanden werden. Auch im Stiftland blühte die Wallfahrt während dieser Zeit wieder auf, nicht nur die Wallfahrt zur Kappl, nachdem auf dem Glasberg 1645 oder 1648 wieder eine Kapelle errichtet worden war. Während der Pestwelle 1634 hatten bereits Bürger aus Waldsassen auf dem Gommelberg eine Kapelle errichtet. Diese wurde einmal im Jahr bei einer Wallfahrt aufgesucht. 1657-61 wurde anstelle eines mittelalterlichen Vorgängerbaus oberhalb von Wiesau die Wallfahrtskirche Heiligkreuz gebaut. Die Egerer Jesuiten hatten oberhalb ihres Schlosses Kinsberg (heute Starý Hrozňatov) 1664-89 in Sichtweite von den Höhen um Münchenreuth eine Gnadenstätte Maria Loreto errichtet, zu der ein Kreuzweg mit prächtigen Stationshäuschen hinaufführt. Kurze Zeit darauf entwickelten sich Wallfahrten dorthin, u.a. aus Tirschenreuth, wo sich seinerseits eine Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes etablierte.An diesem Wallfahrtsweg wurde auf der Passhöhe über das Waldsassener Schiefergebirge 1676 die Kapelle zum Alten Herrgott errichtet.
Wallfahrtskirche Heiligkreuz – Stary Hroznatov:
Das bedeutendste sakrale Wallfahrtsbauwerk sollte aber der Neubau der Wallfahrtkirche auf dem Glasberg (sog. Kappl)unter Abt DALLMAYER werden, der dem Kloster Waldsassen von 1661-90 vorstand. Dieser bemühte sich um die Wiederbelebung der Wallfahrt zur Heiligen Dreifaltigkeit, deren Wurzeln bereits im Mittelalter zu suchen sind.Mit einer sinnfälligen Architektursollte ein dem Zeitgeschmack entsprechender Barockbau ein älteres Kirchlein ersetzen. Der Abt berief dazu 1685 Georg DIENTZENHOFER als berühmten Baumeister. Der Neubau sollte ein Triumphbogen werden für den Sieg der Gegenreformation in der Oberpfalz, weithin sichtbar, mit überregionaler Ausstrahlungskraft direkt an der Grenze zur protestantischen Markgrafschaft im heutigen Oberfranken. So entstand hier dieser Dreipassgrundriss als erster struktureller Reflex nördlich der Alpen auf diese neue in Italien entwickelte architektonische Raumgliederung hin. Sie beinhaltet die systematische Zusammenordnung oft gegensätzlicher Typen wie Zylinder, Prisma, Kugel und Würfel und möchte eine abstrakte geistige Vorstellung vor Augen führen. Italienisch-römisch die Konzeptionsidee, die Raumgliederung und –struktur und die Innenarchitektur. Bayerisch-böhmisch die Schlichtheit der Fassade, die sprechende Baugestalt in der Landschaft mit ihren Türmen und die exponierte Komposition in der Landschaft, die mit der Dreizahl der Türme schon aus der Ferne von der Dreifaltigkeit kündet. Von der Kappl aus bietet sich ein weiter Blick nach Böhmen hinein. Es bestehen Sichtbeziehungen zu Maria Loreto und Maria Kulm. Umgekehrt zeichnen sich von Maria Loreto aus die Türme der Kappl deutlich am Horizont ab.
Wallfahrtskirche Kappl:
1698 sind an der Verbindung vom Kloster im Tal zur Wallfahrtskirche auf der Höhe 15 Rosenkranzstationen entstanden. Die Zahl 15 ergibt sich aus den drei Arten Rosenkranz, den freudenreichen, den schmerzhaften und den glorreichen, die zu jeweils fünf Sätzen gebetet werden. Der Stationsweg stellt innerhalb der Sakrallandschaft ein weiteres eindrückliches lineares Bindeglied dar. Zusammen mit seinen Anfang und seinem Ende, der Klosterkirche, der heutigen Basilika, einerseits und der Kappl andererseits, die beide zu den bedeutendsten Bauwerke der jesuitisch-italienischen Art frühbarocker Sakralarchitektur im süddeutsch-böhmischen Raum zählen, formt er den Kern der inszenierten sakralen Prägung, welche der gesamten Klosterlandschaft innewohnt.
Rosenkranzstation:
Neben den bereits erläuterten Wallfahrten gab es im Stiftland noch einige weitere dieser von starker Frömmigkeit gelenkten Glaubensbezeugungen. So wurde 1717 bei Wernersreuth mitten im Wald die Allerheiligenkirche anstelle eines Vorgängerbaues neu gebaut, zu der vom Kloster her der Heiligenweg führt. Im selben Jahr ist die Wallfahrt zur Schmerzhaften Muttergottes in Tirschenreuth wieder aufgeblüht, wo 1723 eine Kapelle gebaut wurde.
Die Fraisch wird beherrscht von der 1725-27 erbauten Wallfahrtskirche St. Sebastian, genannt Kleine Kappl. 1733 baute am Jakobsweg aus Böhmen, der alten „Goldenen Straße“, in freistehender Lage Stiftsbaumeister MUTTONE St. Jakobus Major zu Marchaney, die mit ihrem vierpaßförmigen Grundriss auf die Kappl am Glasberg verweist.
Kleine Kappl:
Die barocke Klosterkirche als Mittelpunkt der Sakrallandschaft
Auch die neu erbaute Klosterkirche selbst erhielt nach der Wiederbesiedlung ein neues sakrales Profil, das nicht nur durch die künstlerische Ausgestaltung und die Freskodarstellungen der Gründungsgeschichte vermittelt wurde. Durch die Überführung von 10 frühchristlichen Märtyrern und die prunkvolle Zurschaustellung der Ganzkörperreliquien in den Seitenaltären wurde zunächst eine Kompensation für die 1504 zusammen mit dem Hauptaltar verbrannten mittelalterlichen Reliquien geschaffen. Zudem wurden die heiligen Leiber in einer für die Zisterzienser einmalige Weise inszeniert, die sich nicht nur durch die schiere Anzahl, sondern auch deren barocke Gewandung auszeichnet. Hierdurch ragt das Kloster Waldsassen aus der zeitgenössischen Überführung von Katakombenheiligen in andere bayerische Zisterzienserklöster, wie Raitenhaslach. Hierdurch ragt das Kloster Waldsassen aus der zeitgenössischen Überführung von Katakombenheiligen in andere bayerische Zisterzienserklöster, wie und Seligenthal in Landshut, hervor. Durch die gezielten Reliquientranslationen von Rom nach Waldsassen wurde zwischen 1688 und 1765 ein neuer, um die nun in der Klosterkirche ruhenden Märtyrer geschaffener Reliquienkult als Mittelpunkt der klösterlichen Sakrallandschaft installiert. Auf Antrag des Waldsassener Abtes Alexander VOGEL bewilligte der Generalabt der Zisterzienser, Francois TROUVÉ von Cîteaux, im Jahr 1756 die Einführung eines eigenen Festes zur Verehrung der Waldsassener Reliquien. Mit diesem Heilige-Leiber-Fest (1. Sonntag im August) wurden die zehn Ganzkörper und zwei Schädelreliquien zum Mittelpunkt einer Verehrung, die identitätsstiftende Anknüpfungspunkte zwischen dem Konvent und der rekatholisierten Bevölkerung schuf. Im Konvent selbst wurde durch die literarische Rezeption des Mirakelbuches von Abt Johannes III. (1310-1323) sowie des Chronicon Waldsassense (1507) zudem auch weiterhin der mittelalterlichen Sakraltradition des Klosters gedacht und dadurch die etwa einhundertjährige Unterbrechung des Konventslebens überbrückt. Weitaus weniger bekannt ist ein am Anfang des 18. Jahrhunderts kurzzeitig in der Klosterkirche aufflammender Wallfahrtskult um ein Bildnis der schmerzhaften Mutter Gottes, das der Abt Albert HAUSNER aus Tirschenreuth in die Waldsassener Kirche überführen ließ.
Märtyrerreliquien in der Basilika Waldsassen:
Flur- und Kleindenkmäler als Bezugspunkte der klösterlichen Sakrallandschaft
Ein dritter landschaftsprägender Aspekt ist das flächendeckende Netz sakraler Flurdenkmäler, welches damit begann, dass in der Zeit des Barock, wo das Kloster Waldsassen eine zweite Blütezeit erlebte, im gesamten Stiftland nicht nur viele Kirchen neu gebaut wurden und das Wallfahrerwesen florierte, sondern überall an Wegen auch Wegkapellen und Bildstöcke errichtet wurden. 26 Wegkapellen, die zwischen dem 17. und frühen 19. Jahrhundert errichtet wurden, sind kartiert. Die Bildstöcke aus der Zeit haben fast alle bestimmte Gemeinsamkeiten wie den Baustoff Granit, der typisch für das Stiftland ist, und das bekrönende Caravaca-Kreuz, sodass man sie „Stiftlandsäulen“ genannt hat, von denen 20 kartiert sind.
„Stiftlandsäule“ bei Glaswies:
In der Wondreber Friedhofskapelle St. Michael (1669 vollständig erneuert) hat um 1715 der Waldsassener Laienbruder Frater Cornelius VON BOSCHE eine getäfelte Holzdecke angefertigt, die auf 28 Feldern die Bilder eines Totentanzes zeigt. Es sind dies Darstellungen nach Motiven des Wiener Hofpredigers Abraham A SANTA CLARA. Dieser Totentanz soll verstanden werden als eine Mahnung an den Menschen, stets wachsam und jederzeit darauf vorbereitet zu sein, vor das Jüngste Gericht zu treten, da der Tod allgegenwärtig ist.
Totentanz – Friedhofskapelle St. Michael Wondreb:
Aufklärung und Säkularisation erwirktenschließlich neben der Aufhebung aller Klöster (1803) bereits zuvor schon (1799) ein Verbot von Wallfahrten und des Baus von Wegkapellen, ehe dann im Laufe des 19. Jahrhundertsseitens des Staates und der Kirche wieder eine Gegenreaktion erfolgte. Schon ab 1810 lebten die Wallfahrten wieder auf undviele Klöster wie auch Waldsassen wurden wieder eingerichtet. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war dann eine neue Blütephase der Volksfrömmigkeit, besonders der Marienverehrung. In dieser Zeit und bis heute wurden erneut viele Wegkapellen gebaut. An vielen besonderen Orten wurden nun Flurkreuze (Marterln) meist aus Holz aufgestelltund sie wurden häufig mit Begleitbäumen umrahmt, so dass sie eine große Landschaftswirksamkeit gewannen.
sog. Falterkreuz – Verbindungsstrasse zwischen Kondrau und Netzstahl:
Insgesamt wurden 264 solcher landschaftsprägenden Marterln kartiert und 87mal alte Begleitbäume an diesen Wegkapellen oder Marterln. 34 der kartierten Wegkapellen wurden nach 1850 errichtet.
Autoren: Christian Malzer, Harald Hertel